Die Primatenforscherin und Kognitionswissenschaftlerin Julia Fischer ist Professorin für Primatenkognition an der Georg-August-Universität Göttingen und Leiterin der Abteilung „Kognitive Ethologie“ sowie stellvertretende Direktorin des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen. Im Zentrum ihres Forschungsinteresses steht die Frage nach der Evolution von Kommunikation, Intelligenz und Sozialverhalten bei Primaten. Ein besonderes Augenmerk gilt den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Affen und Menschen. Wie viel Mensch steckt im Affen? Und wie viel Affe steckt im Menschen? So werfen ihre Forschungen auch ein Licht auf die Natur unserer eigenen Art und die evolutionären Ursprünge des menschlichen Verhaltens und der Sprache. Ihre Arbeiten betrachten dabei die psychologischen und physiologischen Grundlagen des Verhaltens ebenso wie den Überlebenswert verschiedener Verhaltensweisen, den Einfluss der sexuellen Selektion und die Evolution von Sozialsystemen. Auf diese Weise schlägt Julia Fischer in ihrer Forschung eine Brücke zwischen psychologischen und evolutionären Ansätzen. Ihr wichtigstes Modellsystem ist die Gattung der Paviane, die der „Savannen-Theorie“ der menschlichen Evolution zufolge unter ähnlichen ökologischen Bedingungen leben wie frühe Menschen. Zudem zeichnen sich die Mitglieder dieser Gattung durch faszinierende Unterschiede ihrer Gesellschaftsformen und ihres Sozialverhaltens aus.
Promoviert wurde Julia Fischer an der FU Berlin mit einer Studie zur Lautkommunikation von Berberaffen. Als Postdoktorandin an der University of Pennsylvania lebte sie anderthalb Jahre im Okavango Delta in Botswana, wo sie eine Gruppe freilebender Bärenpaviane studierte. Nach der Habilitation am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig erhielt sie den Ruf an die Universität Göttingen und das Deutsche Primatenzentrum. Mit ihrem Team gründete sie 2007 im Senegal die Feldstation Simenti zur Erforschung freilebender Guineapaviane; über diese Art war zuvor nur wenig bekannt. Mit ihren Arbeiten konnten wichtige Fragen zur Evolution von Sozialsystemen geklärt und neue Fragen zur Dynamik der sozialen Evolution aufgeworfen werden.
Julia Fischer ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen sowie Trägerin des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens des Landes Niedersachen. Ausgezeichnet wurde Julia Fischer darüber hinaus mit dem Werner und Inge Grüter-Preis für Wissenschaftsvermittlung sowie mit dem Sonderpreis des Stiftungsrats der Georg-August-Universität Göttingen.
Seit 2023 ist Julia Fischer Vizepräsidentin der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Sie ist Mitglied der Wissenschaftlichen Beiräte des Biodiversitätsmuseum der Georg-August-Universität Göttingen und des Naturkundemuseums in Berlin sowie des Stiftungsrats der Schering Stiftung. Zuvor war sie Präsidentin der European Federation of Primatology, Präsidentin der Gesellschaft für Primatologie, Sprecherin des Präsidiums der Jungen Akademie sowie Mitglied des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Hochschulrats der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Rats der Jungen Akademie.
Webseite der Abteilung Kognitive Ethologie von Prof. Julia Fischer am Deutschen Primatenzentrum:
https://www.dpz.eu/en/cognitive-ethology