Mensch und Natur – Die Netzwerke des Lebens

Exposés


Dienstag, 26. April 2022

Eröffnungsveranstaltung: Präsenz und Online
"Netzwerke des Lebens: Einführung in das Wunder der Lebensvielfalt"
Prof. Dr. Antje Boetius

Der Planet Erde ist bisher der einzige Himmelskörper, von dem wir wissen, dass er Leben beherbergt. Dieses Leben beruht seit fast 4 Milliarden Jahren auf eng verknüpften Netzwerken einer ungeheuren Vielfalt von Genen, Individuen, Arten und Lebensräumen, so dass Überleben auch unter extremen Bedingungen durch Anpassungen gesichert ist. Seit den 1950er Jahren greift der Mensch in immer grösserer Beschleunigung in die Netzwerke ein. Heute wird zunehmend klar: die Umwelt verändert sich zu schnell, das ist zu unserem Nachteil und resultiert in erheblichem Verlust von Vielfalt. Wie können wir also lernen, besser mit den Lebensnetzwerken zu kooperieren ? Mit der Vorlesungsreihe “Mensch und Natur – Die Netzwerke des Lebens” wird die diesjährige Inhaberin der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur im Jahr 2022 die Zuhörenden auf eine Reise in die Funktionen des Lebens auf dem Planeten Erde nehmen. Sie und ihren Gäste diskutieren mit Ihnen, warum die Vielfalt des Lebens auf der Erde wichtig für unser Überleben ist, wo die Netzwerke gefährdet sind, auf denen die natürlichen Funktionen der Erde beruhen, und welche Lösungen wir haben. Bei der ersten Vorlesung wird Antje Boetius auch anhand von Beispielen aus ihrem Forschungsgebiet, der Tiefsee, einige Wunder der Lebensvielfalt aufdecken.


Dienstag, 3. Mai 2022
Präsenz- und Online-Veranstaltung
"Alles hängt mit allem zusammen: Auf den Spuren von Humboldt und der Geschichte des Naturbegriffs"
Gastrednerin: Andrea Wulf

Die Historikerin und vielfach preisgekrönte Autorin Andrea Wulf hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie sich der Naturbegriff im Zeitalter der Aufklärung verändert hat und was das mit unserem Verständnis heute zu tun hat. Goethe, Darwin, Humboldt und ihre Zeitgenossen entdeckten reisend Kräfte und Ordnungsprinzipien der Natur, die uns auch heute mehr denn je beschäftigen. Besonders die Wahrnehmung Alexander von Humboldts der Vernetzung der Natur, der engen Verknüpfung zwischen dem Belebten und Unbelebtem in einem Naturganzen ist moderner denn je. Mit ihr wird Antje Boetius diskutieren, auf welchen Beobachtungen und Erfahrungen der Gedanke der Ganzheitlichkeit des Kosmos beruhte und welche Rolle Humboldt dem Menschen darin gab.


Dienstag, 10. Mai 2022
Präsenz- und Online-Veranstaltung
"Leben im Boden – die unsichtbaren Funktionen von Einzellern"
Gastredner: Prof. Dr. Andreas Richter

Unter unseren Füssen existiert eine geheimnisvolle Welt aus belebter und unbelebter Materie und in vielen Bereichen unerforschtes Neuland. Böden beherbergen nicht nur den Humus und Mineralien aus der Verwitterung von Gestein, sondern auch eine fast unvorstellbare Vielfalt von einzelligen und mehrzelligen Lebewesen, die gemeinsam für das Funktionieren der Biosphäre und die Ernährung des Menschen unerlässlich sind. In einem Kubikmeter Boden leben um die 100 Billionen Bakterien, 3 Billionen Archaeen und etwa 2 Billionen Pilze miteinander und stehen wiederum in Wechselwirkung mit den Pflanzenwurzeln, wie auch mit unzähligen Bodentieren. Ihre Netzwerke entscheiden darüber, wo Bäume gedeihen können und wo nicht, wie fruchtbar Böden sind oder wieviel Kohlenstoff in ihnen gespeichert wird. Extremwetterereignisse wie Dürren und Starkregen führen zudem zu Erosion und Verlusten an Bodenqualität, Schadstoffe setzen den Bodenorganismen zu. Klimawandelfolgen wie das Auftauen des Permafrostes oder Eingriffe des Menschen in die Natur, wie das Abholzen von Regenwäldern und die Trockenlegung von Feuchtgebieten, verändern die natürliche Zusammensetzung der Bodengemeinschaften und deren Funktionen stark. Wir müssen lernen, die Netzwerke des Lebens im Boden zu fördern. Dazu gehört unter anderem zu verstehen, wie Mikroorganismen organisches Material abbauen, aufnehmen, in ihre eigene Biomasse einbauen und daraus Humus entsteht und wie sich diese Prozesse der kleinsten Organismen auf die globalen Stoffkreisläufe auswirken. Die Rolle von Böden im Klimawandel besser zu verstehen, welche Rückkoppelungen es von Böden auf die Klimaerwärmung geben könnte, aber auch welches Potential in ihnen steckt, die Folgen des Klimawandels abzufedern, ist zu einer Schlüsselfrage dieses Jahrhunderts geworden.

 

Dienstag, 24. Mai 2022
Präsenz- und Online-Veranstaltung
Der Mensch als Ressourcennutzer:in – die Kunst nachhaltiger, sozial-ökologischer Agrarsysteme
Gastredner: Prof. Dr. Andreas Bürkert

Die Mechanisierung der Landwirtschaft hat in Europa dazu geführt, dass nur noch eine ganz verschwindend kleine Anzahl von Menschen in der Landwirtschaft tätig ist. In ärmeren Ländern ist der Anteil an in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen noch viel höher. Die Klimakrise und andere Krisen veränderen für alle Farmer und Ressourcennutzer:innen die landwirtschaftliche Produktivität. Welches Wissen hat der Mensch in der Geschichte der Bewirtschaftung der Natur angesammelt, das uns heute und in Zukunft nutzen wird, die Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen und die Fruchtbarkeit der Natur auszubauen? Am Beispiel jahrtausendalter Agrarsysteme und Handelswege wird diskutiert, wie neue Stressfaktoren für die fragilen Oasenökosysteme Nachhaltigkeit bedrohen. An Beispielen aus Oman, Indien und Westafrika werden Möglichkeiten und Grenzen der tropischen Agrarökosystemforschung zum Erhalt nachhaltiger Landnutzung in Oasensystemen aufgezeigt.

 

Dienstag, 07. Juni 2022
Online-Veranstaltung mit Livestream
Die Gene des Menschen – was uns überleben hilft

Gastredner: Prof. Dr. Johannes Krause

Die Reise der Menschheit und unsere dauernde Wechselwirkung mit der Natur steckt in unseren Genen. Seit wenigen Jahren können wir in die Archive der Menschheits- und Klimageschichte weit zurückreisen. Das hilft zu verstehen, welche genetischen Werkzeuge wir haben, um uns anzupassen, um auf Krankheiten zu reagieren und in der dynamischen Umwelt zu überleben.
Der Archäogenetiker Johannes Krause beantwortet mit seiner Forschung fundamentale Fragen der Mensch-Natur-Beziehung. Sein Vortrag erzählt von den Entdeckungen einer größeren und älteren Vielfalt menschlicher Kulturen als bisher angenommen. Er zeigt auf, was uns von den Menschenaffen unterscheidet und warum gerade wir bisher überleben konnten. Mit Antje Boetius diskutiert er die Frage, die er auch in seinem neusten Buch aufwirft: stehen wir vor Aufbruch oder Scheitern in unserer Beziehung zur Wechselwirkung mit dem Netzwerk des Lebens.

 

Dienstag, 21. Juni 2022
Präsenz- und Online-Veranstaltung
Mensch mit Natur – das Lebendige feiern
Gastredner: Dr. phil. Andreas Weber

Die moderne Wissenschaft legt den Fokus vor allem auf mechanistische Studien zum Leben und seinen Netzwerken. In der Menschheitsgeschichte entwickelte sich aber auch ein großer Wissensschatz zur subjektiven Lebendigkeit von Tieren, Pflanzen und Landschaften, vor allem in verschiedenen indigenen Kulturen. Die moderne Ökologie geht davon aus, dass Lebewesen zwar um ihr Überleben konkurrieren, dabei aber auch Teil eines symbiotischen Beziehungsgeflechts aus vielen anderen Lebewesen sind, die alle mit einer schöpferischen Kraft ausgestattet sind. Die Investition in Geflechte mit anderen Arten kann dabei zu Lebens- und Überlebensvorteilen führen – so entstehen komplexe Symbiosen. Umgekehrt gefährdet die Verletzung von Lebensnetzwerken die Fruchtbarkeit und Resilienz von Ökosystemen, einschließlich der Umwelt des Menschen. Der Vortrag diskutiert ein neues Konzept, in dem Leben und Lebensvielfalt selbst als ein Gemeingut verstanden wird, weil alle Lebewesen auf verteilte, von unten nach oben gerichtete Weise darum kämpfen, sich konstruktiv mit anderen zu entwickeln und die Fruchtbarkeit des gesamten Systems zu steigern.

 

Dienstag, 28. Juni 2022
Präsenz- und Online-Veranstaltung
Kooperation zwischen Arten – wie geht Symbiose?
Gastrednerin: Prof. Dr. Nicole Dubilier

Die Symbiose zwischen Arten ist ein urzeitlicher Prozess. Ohne Symbiosen hätte sich das Leben auf der Erde nicht entwickeln können. Vor allem die Symbiose zwischen Bakterien und primitiven Einzellern hat die Ausbreitung und Evolution von pflanzlichen und tierischen Zellen befeuert und das Leben bestimmt. Noch heute beherbergt nahezu jede pflanzliche, tierische und menschliche Zelle winzige Energiekraftwerke, die Mitochondrien. Es sind die Nachfahren früherer bakterieller Symbionten. Was wir heute „Pflanzen“ nennen, ist ebenfalls das Produkt einer engen Symbiose zwischen aquatischen Cyanobakterien und den Vorfahren von Pflanzenzellen. Manche Insekten können weitgehend von ihren Partner-Mikroben gesteuert werden. Selbst der Mensch ist von der Vielzahl seiner mikrobiellen Partner auf und im Körper bestimmt: indem sie die Verdauung unterstützen, das Immunsystem stärken oder die Haut schützen. Doch die größten Wunder an symbiotischen Lebewesen findet man im Meer. Schwammgärten und Korallenriffe, Muscheln und Riesenwürmer, deren Symbionten Wasserstoff, Methan oder Schwefel nutzen, um ihre Wirte zu füttern. Die Meeresbiologin Nicole Dubilier forscht seit vielen Jahren an Kooperation und Symbiosen und räumt mit dem Vorurteil auf, es ginge im Leben nur um Fressen und Gefressen werden.

 

Dienstag, 12. Juli 2022
Abschlussveranstaltung: Online und Präsenz
Mensch und Natur im Einklang: Welche Ziele haben wir für den Schutz von Lebensvielfalt und wie können wir sie erreichen?
Prof. Dr. Antje Boetius

Im letzten Teil der Vorlesung diskutiert die Gutenberg-Stiftungsprofessorin Antje Boetius die Frage, wie der Mensch die Netzwerke des Lebens stärken kann und so dem Artenverlust entgegenwirken. Sie führt in die aktuellen Ziele des Klima- und Umweltschutzes Deutschlands und der EU ein und benennt die Chancen und Hürden auf dem Weg. Dabei geht es auch um wirtschaftliche Aspekte, wie die Förderung einer ressourcenleichten Kreislaufwirtschaft oder von Windkraft im Meer sowie um die Frage, wie die Transformation gelingen kann, ohne den Naturschutz aus den Augen zu verlieren. Auch Deutschland will seinen Beitrag leisten, das weltweite Naturschutzziel, 30% der Erdoberfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen, zu erreichen, doch das erfordert neue Konzepte für das Raummanagement. Antje Boetius zeigt anhand von Forschungsergebnissen auf, wie Naturschutz und Klimaschutz verknüpft sind und daher auch politisch integriert werden müssen. Mit dem Publikum diskutiert Antje Boetius, was jeder einzelne tun kann und wo die Herausforderungen für Wissenschaft und Politik im gesellschaftlichen Dialog liegen.